Vertrag statt Bürgerentscheid

Im Stadtrat wurde am 03.02.2022 mehrheitlich beschlossen, einem Vertrag zwischen den Vertretern des Bürgerbegehrens „Radentscheid“ und der Stadt zuzustimmen.

Von Monika Schwind,

Im Stadtrat wurde am 03.02.2022 mit 31:6 Stimmen beschlossen, einem Vertrag zwischen den Vertretern des Bürgerbegehrens „Radentscheid“ und der Stadt zuzustimmen. Aus unserer Sicht ist in diesem Vertrag keine wesentliche Neuerung enthalten, überwiegend handelt es sich um bereits beschlossene Maßnahmen, die nun bis 2027 umgesetzt werden sollen. Andere Maßnahmen sollen im gleichen Zeitraum geplant werden, um die anschließende Umsetzung vorzubereiten. Dabei fehlen jedoch wichtige Punkte, die für uns zur Förderung der nachhaltigen Mobilität in Freising wesentlich sind, zum Beispiel der südliche Isarsteg. Andere Maßnahmen müssen vor der Umsetzung unserer Meinung nach noch genau durchdacht werden, insbesondere hinsichtlich der Auswirkung auf die umliegenden Straßen und die anliegenden Geschäfte und Praxen.

Am 03. April 2022 hätte die Freisinger Bevölkerung über das „Bürgerbegehren Radentscheid“ abstimmen dürfen. Insgesamt haben 3.551 wahlberechtigte Personen mit ihrer Unterschrift dafür gesorgt, dass das erforderliche Quorum für eine Abstimmung durch die gesamte Freisinger Bevölkerung erreicht wurde. Das Bürgerbegehren ist ein Instrument direkter Demokratie, mit dem über eine Angelegenheit der Kommune mit „Ja“ oder „Nein“ entschieden wird.
Zur Entscheidung gestanden wären fünf Ziele zur Verbesserung des Radverkehrs, ausführlich nachzulesen auf dieser Seite.

Bereits in der Sitzung des Stadtrats am 11.10.2021, in der das Bürgerbegehren für zulässig erklärt wurde, plädierten die Vertreter der Initiative darauf, statt der Durchführung des Bürgerentscheids nach dem Vorbild anderer Städte einen Vertrag abzuschließen. Zu diesem Zweck wurden zwischen den Vertretern der Stadt und des Bürgerbegehrens Einzelmaßnahmen ausgehandelt, die nun dem Stadtrat als Vertragsinhalt zur Entscheidung vorgelegt wurden.

Dabei sind die Einzelmaßnahmen aufgeteilt in solche, die

  1. bereits in einem fortgeschrittenen Planungsstand sind und daher bis 2027 umgesetzt werden können,
  2. bis 2027 weiter geplant werden sollen, weil noch keine Planung vorliegt oder aufgrund externer Faktoren eine Umsetzung bis 2027 nicht sichergestellt ist und
  3. für die die Stadt nicht zuständig ist, sich jedoch für die Umsetzung stark machen wird.

Die Freisinger Mitte begrüßt grundsätzlich den nun mit dem Vertrag vorgeschlagenen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung des Radverkehrs in Freising. Wir halten eine grundlegende Verbesserung der Infrastruktur für den nicht motorisierten Verkehr für unabdingbar, um den Umstieg auf das Fahrrad zu erleichtern und damit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Aus diesem Grund haben wir im Jahr 2018 auch zusammen mit allen anderen Mitgliedern des Stadtrats das Mobilitätskonzept „Freising – nachhaltig mobil“ beschlossen. Resultierend aus diesem Konzept wurden erfreulich viele Maßnahmen zur Verbesserung der nachhaltigen Mobilität, insbesondere für Radfahrende, bereits umgesetzt oder die Umsetzung in die Wege geleitet. Weiteren sinnvollen Maßnahmen zum Umbau der Infrastruktur hin zu mehr Fahrradfreundlichkeit sind wir jederzeit aufgeschlossen und arbeiten gerne an der Umsetzung mit. Weil wir jedoch stets auch die anderen Verkehrsteilnehmenden im Blick haben, und insbesondere Wert auf einen funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr legen, war für uns speziell das 1. Ziel des Bürgerbegehrens nicht zustimmungsfähig (baulich geschützte Radwege mit einer Mindestbreite von 2.30 Metern pro Fahrtrichtung auf allen Gemeindestraßen mit einer zulässigen Geschwindigkeit von mehr als 30 km/h).

Umso verwunderter sind wir nun, dass in dem erarbeiteten Konsens beinahe ausschließlich Maßnahmen inkludiert sind, die ohnehin der bestehenden Beschlusslage des Freisinger Stadtrats entsprechen. Aus unserer Sicht fasst der Vertrag damit die aktuelle Planung für die Verbesserung des Radverkehrs lediglich strukturiert in einen 5-jährigen Zeitplan zusammen.
Besonders der strittige Passus des Bürgerbegehrens „Radentscheid Freising“, nämlich das Ziel der baulich geschützten Radwege mit einer Mindestbreite von 2,30 Metern pro Fahrtrichtung auf allen Gemeindestraßen mit einer zulässigen Geschwindigkeit von mehr als 30 km/h, findet sich in dem ausgehandelten Kompromiss gar nicht mehr. Lediglich bei einer einzigen Maßnahme, die bis 2027 weiter geplant werden soll, findet sich die Verbreiterung eines bestehenden Radwegs auf 2,30 Meter. Ob und wie das die Initiatoren des Bürgerbegehrens gegenüber den Unterzeichnenden verantworten, bleibt diesen überlassen. Jedenfalls hätte man sich sehr viel Arbeit sparen können, hätten die Verantwortlichen der Initiative von Anfang an auf diesen Passus verzichtet. In diesem Fall hätte sich das Stadtratsgremium nämlich vermutlich mehrheitlich den übrigen Forderungen, soweit rechtlich machbar, angeschlossen. Immerhin haben wir in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die in den Ausschüssen und den verschiedenen Arbeitskreisen des Stadtrats gemeinsam erarbeiteten Ziele fraktionsübergreifend konstruktiv im Anschluss auch gemeinsam umzusetzen.

Was uns darüber hinaus erstaunt, ist die Tatsache, dass die wichtige Verbindung von Lerchenfeld / Savoyer Au hin zum P&R-Parkplatz / Seilerbrückl („Isarsteg Süd“) gänzlich fehlt. Diese Verbindung ist im Mobilitätskonzept ebenfalls enthalten und vom Stadtrat beschlossen. Die Freisinger Mitte hält – offenbar im Gegensatz zu den Initiatoren – diese Verbindung für unabdingbar, um die Stadtteile stärker zu vernetzen und die Erreichbarkeit wichtiger Einrichtungen (z.B. Campus Weihenstephan, Kino, Schwimmbad, Montessorischule) auch per Fahrrad zu gewährleisten.

Dennoch hat die Fraktion der Freisinger Mitte dem Beschlussvorschlag mehrheitlich zugestimmt.

Zugleich hat sie die Verwaltung beauftragt, vor dem Projektbeschluss bei einigen Einzelmaßnahmen die möglichen Konsequenzen vorab zu prüfen, um negative Auswirkungen auf andere Routen rechtzeitig abwägen zu können sowie unverhältnismäßige Härten zu vermeiden. Dazu zählen folgende Fragestellungen bei den bis 2027 umzusetzenden Maßnahmen:

  • Kulturstraße: welche Verkehrsverlagerungseffekte entstehen mit einer möglichen Einbahnstraßenregelung?
  • Erdinger Straße, Landshuter Straße und Gute Änger: wie können die ggf. wegfallenden Parkplätze kompensiert werden? Diese sind insbesondere für anliegende Geschäfte, Praxen und ein Reha-Zentrum tagsüber erforderlich, nicht nur, aber auch für den Besucher- und Patientenverkehr von auswärts.

Für die bis 2027 voranzutreibenden Planungen stellen sich vor allem bei zwei Maßnahmen Fragen, die aus unserer Sicht noch geklärt werden müssen:

  • Rabenweg: Er ist insbesondere für die Lerchenfelder Bevölkerung eine wichtige Tangentialverbindung. Dass hier Maßnahmen im Sinne der Anwohnerschaft, insbesondere hinsichtlich des Parkdrucks durch die Gäste des Schwimmbades, zu ergreifen sind, liegt nahe. Durch die vorgesehene Sperrung für den Durchgangsverkehr befürchten wir jedoch eine Verkehrsverlagerung auf andere Bereiche, wie etwa die Lantbertstraße. Dies gilt es genauer zu überprüfen und ggf. eine bessere Lösung zu entwickeln.
  • Erdinger Straße: Durch eine Einbahnstraßenregelung zwischen den Kreuzungen Gute Änger/Amselstraße und Katharina-Mair-Straße befürchten wir eine erhebliche Verkehrsverlagerung und sind daher von dieser Maßnahme nicht überzeugt. Ob dies nicht auch eine Einschränkung für den ÖPNV ist, bleibt unseres Erachtens nach ebenfalls offen. Hier gilt es, genau zu prüfen, welche Konsequenzen eine solche Maßnahme mit sich bringt.

Zusammenfassend sind wir der Meinung, dass der Stadtrat mit dem Abschluss des Vertrages nun vor allem eine zeitliche Rahmenplanung für die bereits auf den Weg gebrachten Verbesserungen an der Hand hat. Die Fraktion der Freisinger Mitte freut sich nach wie vor auf die konstruktive Umsetzung der einzelnen Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Mobilitätsbeauftragten der Stadt Freising sowie dem zuständigen Amt für den Straßenbau.

Die Autorin
Monika Schwind
Monika Schwind ist gebürtige Freisingerin und heute die Finanzreferentin im Freisinger Stadtrat. Weiterlesen ...

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