Eine Brücke, die spaltet?

Im Freisinger Stadtrat steht der Umbau des Knotenpunkts FS44/FS45 auf der Tagesordnung. Es liegt an den politischen EntscheidungsträgerInnen, im Gesamtkontext eine Lösung zu finden, welche die Erfordernis nach Maßnahmen zu einer Eindämmung der Klimakrise mit den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger nach einem funktionsfähigen Verkehrssystem vereint.

Von Franz Bernack,

Nachhaltigkeit, Klimakrise, Mobilitätswende: Alles Schlagwörter, die auch in Freising viel und ausdauernd diskutiert werden – gerade dann, wenn es um Planungen für die Zukunft geht. Leitfäden, wie die vom Deutschen Städtetag bereits 2018 erarbeiteten Leitlinien für eine "Nachhaltige Mobilität" oder auch das von der Stadt Freising beschlossene Klimaschutz- und Mobilitätskonzept, sind vorhanden und warten auf konsequente Umsetzung.

Zugleich steckt die Stadt und auch der Landkreis Freising seit vielen Jahren bedeutsame Summen in große Straßenbauprojekte wie die Westtangente oder die Nordostumfahrung. Und auch für die Zukunft gibt es Ideen, wie ein Ausbau des bestehenden Straßenverkehrsnetzes erfolgen kann. Während mit der Fertigstellung der Westtangente durch die Stadt Freising im kommenden Herbst zu rechnen ist, erfolgen beim Landkreis bereits Planungen, mit einem Kreuzungsumbau der FS44/FS45 eine erwartete Engstelle in der direkten Umgebung zu beseitigen. Konkret handelt es sich um das Stück zwischen dem Südring in Lerchenfeld (Bereich Clemensänger), mit der T-Kreuzung zur Autobahnanschlussstelle Freising Mitte über die Isar bis zur ehemaligen B11, wo die Westtangente beginnt. Diese Umfahrungsplanungen sind teils seit Jahrzehnten auf der Agenda der kommunalen Baulastträger, doch spalten sie auch seit jeher die Gemüter der Freisingerinnen und Freisinger. Wie lässt sich der Wunsch nach einem größeren Engagement für die Umwelt vereinen mit neuen Straßenbaumaßnahmen, die scheinbar in erster Linie dem motorisierten Individualverkehr zugutekommen? Es folgt eine Abwägung.

Übersicht Planungsgebiet (Grafik: Freisinger Mitte)

Worum es geht: Die ersten Planungen am derzeit behandelten Knotenpunkt FS44/FS45 sahen den Bau eines Turbokreisverkehrs, eine spezielle Form eines mehrspurigen Kreisverkehrs, zwischen Freising und dem Pförrerhof mit einer komplett neuen Straße parallel zur bestehenden FS44 vor. Das Bauwerk wäre östlich vom derzeitigen Kreuzungsbereich realisiert worden, weil der Platz an der bisherigen Stelle nicht ausreichend gewesen wäre. Diese Planungen wurden jedoch – auch aufgrund der Bemühungen des Freisinger Stadtrats – verworfen, weil das Bauwerk zur Verkehrslenkung nicht optimal und zugleich der Grundverbrauch und die Kosten immens hoch gewesen wären. Nach weiteren Planungen und Abstimmungen mit den zuständigen Behörden soll nun das Augenmerk auf die Anbindung der T-Kreuzung über die Isar, die sogenannte Schlüterbrücke, gelegt werden. Durch einen Ausbau der Brücke von zwei auf vier Fahrspuren könnte der Verkehr besser über den Knotenpunkt fließen und die VerkehrsteilnehmerInnen schneller zur neuen Westtangente sowie in die andere Richtung auf den Südring und zur Autobahn bringen.

Eingriff in die Natur

Ein solcher Kreuzungsumbau über eine verbreiterte Isarbrücke hat zwar einen Eingriff in das geschützte FFH-Gebiet Isarau zur Folge. Doch aufgrund der Tatsache, dass es sich dabei um den Ausbau einer bereits vorhandenen Verkehrsbeziehung und nicht etwa um den Bau einer neuen Wegeführung handelt, wird dieser Eingriff von einigen Fachplanern als verkraftbar gesehen. Der Turbo-Kreisverkehr, von dessen Funktionsfähigkeit beileibe nicht jeder überzeugt war, hätte manche Probleme, wie Rückstaus womöglich nur von einer Kreuzung zur nächsten verlagert. Mit einer generellen Kapazitätssteigerung des Knotenpunkts und des Anschlusses an die Westtangente kann die Verkehrs-Situation im gesamten Bereich grundlegend verbessert werden. Und gegenüber der ursprünglich angedachten Planung kommt es dabei zu deutlich geringeren Flächenversiegelungen und geringeren Eingriffen in die schützenswerte Natur. Zudem könnte hier auch gleich ein neuer Fuß- und Radweg nach Lerchenfeld mitgebaut werden.

Ursprüngliche Planung des Turbokreisverkehrs (Quelle: Kreis Freising / BPR Dr. Schäpertöns Consult)

Doch nur weil es Planungsalternativen gab, die einen größeren Eingriff in das FFH-Gebiet zur Folge gehabt hätten, ist das per se freilich kein Argument für eine Brückenverbreiterung – bzw. de facto ein zusätzliches Brückenbauwerk – über die Isar. FFH-Gebiete zählen zu den bedeutendsten Schutzinstrumenten Europas und räumen dem Schutz und der ökologischen Vernetzung von Lebensräumen hohe Priorität ein. Es sollten demnach auch weitere Alternativen zu einem vierspurigen Brückenausbau untersucht werden. Und wenn man sich tatsächlich nach ausführlicher Abwägung dazu entscheidet – respektive eine entsprechende Genehmigung erhält – für ein Verkehrsprojekt diesen Schutzraum zu beeinträchtigen, so muss das nicht zwangsläufig auch dem motorisierten Individualverkehr zugutekommen. Mit dem geplanten südlichen Isarsteg soll in unweiter Entfernung ein Verkehrsprojekt realisiert werden, dass den Fuß- und Radverkehr begünstigt und somit dafür sorgt, dass mit dem dafür notwendigen Eingriff in das FFH-Gebiet zugleich eine Stärkung von umweltschonenden Verkehrsmitteln einhergeht. Das mag sich dann auch positiv auf die Verkehrsbelastung auf der parallel verlaufenden FS44 auswirken, wenn mehr Menschen die Möglichkeit gegeben wird, Strecken anstelle mit dem Auto mit dem Fahrrad zurückzulegen.

Ein Verkehrsnetz – zwei Verantwortliche

Die Isarstege sind bedeutende Projekte, mit der die Stadt Freising nachhaltige Mobilität unterstützen will. In der derzeitigen Diskussion ist jedoch auch zu beachten, dass für den Knotenpunkt FS44/FS45 die Stadt Freising gar nicht direkt zuständig ist, sondern der Landkreis. Würde man das Projekt seitens der Stadt ablehnen, so bedeutet dies nicht, dass hier auf einen Ausbau verzichtet wird. Der Kreis ist hier in der Pflicht, eine entsprechende Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten und treibt zurecht entsprechende Planungen voran. Die Stadt Freising sollte als unmittelbar betroffene Kommune alles daransetzen, im Rahmen einer partnerschaftlichen Planung eine Lösung auf Basis eines größtmöglichen Konsenses der Behörden, Fachleute und der Bevölkerung zu finden.

Diese Beteiligung der Stadt Freising ist auch dringend erforderlich. Denn es sollte vor allem nicht nur eine verkehrstechnische Leistungsfähigkeit singulärer Knotenpunkte betrachtet werden. Die Erarbeitung eines ganzheitlichen, integrierten Mobilitätskonzepts unter Berücksichtigung der aktuellen Kenntnisse und Bemühungen rund um die Klimakrise und eine Mobilitätswende ist ein wichtiger Schritt und muss in Zukunft die Grundlage für jede neue Straßenbaumaßnahme im Stadtgebiet bilden. Eine Analyse des gesamtstädtischen Ziel- und Quellverkehrs auch unter Einbeziehung künftiger Veränderungen, wie der Freigabe der Nord-Ost-Umfahrung, einer möglichen Optimierung der Verkehrsführung in Richtung Hallbergmoos und Flughafen sowie Maßnahmen zugunsten des ÖPNV sowie dem Radverkehr sind erforderlich, um einzelne Straßenbaumaßnahmen zu bewerten. Ziel muss sein, dass alle Zusammenhänge und Fakten zur finalen Bewertung vorliegen. Nur dies stellt sicher, dass die mittel- bis langfristigen Planungsziele der Stadt Freising im Sinne von Klimaschutz- und nachhaltigen Mobilitätskonzepten konsequent berücksichtigt und umgesetzt werden können.

Verkehr nimmt unausweichlich zu

Umfangreiche Verkehrsgutachten bilden selbstverständlich auch die Grundlage der aktuellen Planungen. Diese stellen dar, dass eine Leistungsfähigkeit der behandelten Knotenpunkte in Zukunft nicht mehr gegeben ist, wenn nicht ein entsprechender Ausbau erfolgt. Überhaupt – die Idee der Umfahrung mag schon viele Jahre alt sein, sie hat jedoch nicht an Bedeutung verloren, da der motorisierte Verkehr mit PKW noch immer weiter zunimmt. Es ist derzeit auch nicht absehbar, dass sich dieser Trend umkehrt. Die zunehmende Anzahl an Elektrofahrzeugen wird zwar dafür sorgen, dass in Zukunft weniger Emissionen verursacht werden. Jedoch benötigen auch diese Fahrzeuge ausreichend Verkehrswege. Aus diesen Gründen erscheint der Ausbau der Westtangente und in Folge auch der Ausbau der sog. „Schlüterbrücke“ mit einer leistungsfähigen Anbindung an die FS45 nach wie vor notwendig. Andernfalls könnte ein Verkehrskollaps unausweichlich sein.

Doch auf welcher Basis erfolgen diese Überlegungen? Wenn man feststellt, dass den Verkehrsgutachten beispielsweise auch der Bau einer 3. Start- und Landebahn zugrunde liegt – ein Projekt, dass in diesen Zeiten kaum mehr vorstellbar erscheint – so mag das zwar aus rechtlicher Sicht verständlich sein. Schließlich besteht für das Projekt (aktuell noch) Baurecht. Doch zeigt es auch die Herangehensweise an solche Projekte, bei denen Verkehrsprognosen fast ausschließlich auf Basis aktueller Erhebungen, künftiger Straßenbaumaßnahmen und unter Einbeziehung demografischer Entwicklungen durchgeführt werden. Andere Überlegungen, wie etwa durch einen konsequenten Ausbau der Radwegnetzes sowie des ÖPNV einer ansonsten freilich steigenden Zahl an VerkehrsteilnehmerInnen entgegengewirkt werden kann, finden hier kaum Einzug. Hinzu kommen Erfahrungen, die die Gesellschaft nun vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie macht: Diese bieten auch Chancen, wenn etwa auch durch einen vermehrten Einsatz von Home-Office der Bedarf an Pendelverkehr verringert wird. Eine Entlastung der Straßen sollte im Vordergrund des politischen Handels stehen.

Attraktive Umfahrungen

Der Bau der Westtangente, der B301-Nordostumfahrung und eben auch der Ausbau des Knotenpunkts FS44/FS45 bezweckt aber ja gerade die gewünschte Entlastung des innerstädtischen Verkehrs, indem der überregionale Verkehr durch eine funktionierende Umfahrung des Stadtgebiets gar nicht erst in die Stadt hineingeleitet wird. Für dieses Vorgehen, ein umfangreiches Umgehungsnetz aufzubauen, hat sich die Stadt in der Vergangenheit entschieden. Dies umfasst Projekte wie die Westtangente, um die Jahrzehnte politisch und juristisch gerungen wurde, die die Bürgerschaft lange Zeit beschäftigt haben und zu deren Umsetzung man sich letztlich auch auf Grundlage breiter Bürgerbeteiligung entschieden hat. Auch wenn nun in der aktuellen Diskussion die Fronten zwischen Befürworterinnen und Gegnern des Brückenausbaus verhärtet scheinen, spricht sehr viel dafür, diese Maßnahme nicht singulär zu betrachten oder isoliert zu kritisieren. Vielmehr sollte sie als Entlastungsmaßnahme für den innerstädtischen Verkehr gesehen werden. Da weniger motorisierter (Umfahrungs-)Verkehr durch die Innenstadt rollt, kann die Stadt diesen Verkehrsraum auch gleichzeitig konsequent attraktiver für den ÖPNV und den Radverkehr machen. Nach dem Bau der Westtangente nun direkt angrenzende Straßenzüge als Nadelöhr zu belassen, könnte den positiven Effekt der Umfahrung deutlich vermindern, weil damit diese Wegeführung generell weniger attraktiv für die Verkehrsteilnehmerin wird. Das erscheint ob der immensen Investitionen in den Bau der Umfahrung abwegig. Es sollte dafür gesorgt werden, dass die Straße und der neue Tunnel ihr volles Potential entfalten können und attraktiv für den motorisierten Individualverkehr werden.

Doch genau das wird geschehen – der motorisierte Individualverkehr wird attraktiver. Es stellt sich die Frage, ob mit dem Bekenntnis zur Verkehrswende und einer Erhöhung des Anteils des Umweltverbundes am Modal Split der Neubau von Straßen noch Sinn ergibt oder ob dieser nicht vielmehr zu überdenken ist. Die Stadt hat sich im Rahmen ihres Mobilitätskonzepts dazu entschlossen, den Anteil des Umweltverbrundes, das heißt Fußgänger-, Rad-, Schienen- und Busverkehr, bis 2035 auf 65 Prozent zu erhöhen. Es ist also unabdingbar, in die Verkehrsplanung konsequent neue Aspekte einfließen zu lassen. Und dabei geht es nicht darum, den Autofahrenden das Leben zu erschweren, sondern es den Menschen zu ermöglichen, unabhängiger vom Auto zu sein. Dies kann sowohl durch einen Ausbau des Radwegenetzes und neuer Schnellradwege, durch ein erweitertes ÖPNV-Angebot oder einen FMG-Werksbus sowie durch den Bau weiterer verkehrstechnisch günstig gelegener Park&Ride-Parkplätze geschehen. Bei Verkehrsplanungen sollte die Bewertung der Nachhaltigkeit eine wichtigere Rolle spielen. Die Klimaerwärmung ist nicht mehr abwendbar. Fraglich ist, inwiefern es die Weltbevölkerung schafft, diese zu begrenzen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei eine Mobilitätswende. Verkehr darf attraktiver werden, aber eben nicht (nur) der motorisierte Individualverkehr.

Die politische Entscheidung

Im Freisinger Stadtrat steht am heutigen Donnerstag der Umbau des Knotenpunkts FS44/FS45 auf der Tagesordnung. Der Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt hat zuvor gegenüber dem Landratsamt Zustimmung zur Prüfung einer Ertüchtigung des Kontenpunkts durch eine Brückenerweiterung signalisiert. In diesem Zuge soll vor weitergehenden Planungen zunächst der Eingriff in das FFH-Gebiet bewertet werden. Dieser Beschluss des Ausschusses wurde reklamiert, daher wird die Entscheidung nun vom gesamten Stadtrat getroffen.

Es liegt an den politischen EntscheidungsträgerInnen, im Gesamtkontext eine Lösung zu finden, welche die Erfordernis nach Maßnahmen zu einer Eindämmung der Klimakrise mit den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger nach einem funktionsfähigen Verkehrssystem vereint. Die laufende Diskussion sollte dabei nicht auf eine Entscheidung zwischen Auto und Rad, zwischen Verkehr und Umwelt reduziert werden. Es gilt, das größere Ganze, das gesamte Verkehrsnetz und überhaupt Mobilität in all ihren Ausprägungen im Hinterkopf zu haben und in das politische Handeln mit einfließen zu lassen. Wichtig ist, nicht die Autofahrerin oder den Radfahrer zu verteufeln, sondern mitzuhelfen, Strukturen zu schaffen, die dem Menschen und der Umwelt zugutekommen.

Zurück