Das Freisinger Verkehrskonzept

Freising ist interessant, vor allem für Wohnungssuchende. Ländliches Leben und fortschrittliches Arbeiten lassen sich angenehm verbinden. In dieser Standort-Attraktivität liegen sowohl Potenziale wie auch Gefahren. Denn mehr Einwohner bedeuten mehr Verkehr, den Freising bereits heute kaum bewältigt.

Von Katrin Stockheim,

Die zentrale Lage zwischen den Autobahnen A9 und A92, die direkte Anbindung an die B11 und die B301 wie auch die Verbindung zum Flughafen und den Nachbarlandkreis Erding machen Freising zu einem wichtigen Drehkreuz für innerstädtischen und landkreisweiten Verkehr. Münchner Straße/Saarstraße/Johannisstraße, Isarstraße/Landshuter Straße/Mainburger Straße oder Erdinger Straße/Ismaninger Straße sind längst nicht nur während des Berufsverkehrs überlastet. Verkehrsbeobachtungen der Stadt Freising zeigen bereits seit einigen Jahren, dass vermehrt Schleichverkehr entsteht, der in die Wohngebiete eintaucht, um den Staus auf den Hauptachsen auszuweichen. Um weiter wachsen zu können, sich als attraktiver Standort weiterzuentwickeln und den damit verbundenen Zuwachs des Verkehrs aufnehmen zu können, arbeitet die Stadtverwaltung seit vielen Jahren an einem Verkehrskonzept, das sich wie ein Puzzle aus der Optimierung der Radwege, der Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs, der Modernisierung des innerstädtischen Straßennetzes, der Optimierung der Lichtsignalanlagen und nicht zuletzt dem Bau einer großräumigen Umfahrung Freisings zusammensetzt.

Arbeitskreis Radwege

Seit zweieinhalb Jahren arbeitet der Arbeitskreis Radwege daran, das angebotene Radwegenetz attraktiver zu machen. Im Rahmen der Voruntersuchungen der Innenstadtkonzeption entwickelte sich der bereits bestehende „Runde Tisch: Radwege“ zum Arbeitskreis, an dem sich aktuell Vertretern von Stadtrat und Verwaltung, ADFC und AGENDA 21 beteiligen. Ein erstes Ergebnis ist die Einführung der Radfahrschutzstreifen, durch die auch ein sicheres Fahren auf den Straßen möglich ist, deren begrenzte Fahrbahnbreite keinen regulären Radfahrstreifen erlaubt. Ebenfalls beteiligt hat sich der Arbeitskreis an der Ideenentwicklung für eine bessere Anbindung der Stadtgebiete links und rechts der Isar. Dazu zählen die neuen Isarstege zwischen Savoyer Au und Seilerbrückl bzw. zwischen Luitpoldanlage und Schwabenau wie auch der fahrradfreundliche Umbau der Unterführung zwischen Lerchenfeld und der Freisinger Innenstadt auf Höhe des ehemaligen Bahnpostens 15 an der Heiliggeistgasse. In einer aktuellen Erhebung ließ der Arbeitskreis das Fahrverhalten von Schülerinnen und Schülern auf ihrem Weg zum Unterricht untersuchen. Die Daten geben Rückschlüsse auf Gefahrenbereiche und Knotenpunkte, gewählte Ausweichstrecken und neue Verbindungsrouten, deren Ausbau in Zukunft noch mehr Einwohner aufs Radl bringen soll.

Öffentlicher Personennahverkehr

Neben dem Fahrrad bietet der öffentliche Personennahverkehr eine weitere Möglichkeit, sich ohne PKW durch die Stadt zu bewegen. Basierend auf einer positiven Fahrgastentwicklung und einer gestiegenen Nachfrage vor allem an der Haltestelle Kriegerdenkmal und nach Lerchenfeld ließ die Stadt 2011 ein neues Buslinienkonzept entwickeln. Seitdem ist das innerstädtische Busnetz einfacher und schneller geworden, Haltestellen in der Altstadt, im Norden und in Lerchenfeld werden öfter angefahren, ein Ausbau der Verbindung nach Weihenstephan vereinfacht die Anfahrt zu Frauenhofer-Institut, Campus und den Forschungseinrichtungen rund um die Lange Point, Stadtzentrum und Bahnhof werden auf kürzeren Wegen erreicht. Eine Verkehrsentlastung bedeutet seitdem auch die Einführung eines Nachtbusses am Wochenende und vor Feiertagen.

Lichtsignalanlagen

Ein weiteres Mosaiksteinchen im Verkehrskonzept der Stadt Freising ist die Optimierung der Lichtsignalanlagen. Seit dem Jahr 2000 gibt es in Freising keine starre Ampelschaltung mehr, Rot- und Grünphasen wurden durch Programmierung zeitlich an das Verkehrsaufkommen angepasst, um auch in den Spitzenzeiten einen Verkehrsfluss zu gewährleisten. Nachdem sich der Verkehr seit 1989 bis heute verdoppelt hat, gibt es jedoch mittlerweile keine klassischen Morgen- und Abendspitzen mehr. Kleinste Störungen im System verursachen kilometerlange Staus. Um die enormen PKW-Massen weiterhin zu bewältigen, wurden die Lichtsignalanlagen technische aufgerüstet, sodass in Kürze ein Makrosystem in Betrieb gehen kann, bei dem die Ampeln individuell auf das Verkehrsaufkommen reagieren und Daten an Nachbaranlagen weiterleiten. Dennoch wird es auch dadurch nicht möglich sein, die prognostizierten Verkehrszahlen aufzufangen.

Ein Ring für Freising

Um vor allem den Durchgangsverkehr zu vermindern, plant die Stadt bereits seit den 1970er Jahren eine ringförmige Umfahrung des gesamten Stadtgebiets. Mit der B11a/„Marzlinger Spange“ und dem Südring existieren bereits zwei Abschnitte dieses Rings, der Freising im Osten und Südosten mit den Nachbarlandkreisen und den angrenzenden Verkehrsachsen verbindet. Vom Landkreis Freising werden derzeit die Planungen für ein weiteres Teilstück, die Nord-Ost-Umfahrung, vorangetrieben. Mit dem Bau der Westtangente würde die Stadt Freising den Ring schließen.

Die Westtangente

Auf einer Länge von 3,6 Kilometern wird die Westtangente als Kreisstraße eine Verbindung zwischen Thalhauserstraße und B11 schaffen, beginnend von der Einmündung des Weihenstephaner Rings durch einen 705 Meter langen Tunnel unter Vötting hindurch führen, oberirdisch durch das Freisinger Moos südlich des Vöttinger Weihers verlaufen und den Verkehr an der B11 über die Kreuzung mit der FS44 über die Isar an den Südring anschließen.
Die Umfahrung soll überörtlichen Verkehr aus Süd- und Nordwesten aufnehmen, Fahrten von und zum Campus Weihenstephan gezielt lenken und innerstädtischem Durchgangsverkehr eine reizvolle Alternative bieten, sodass große Teile der Innenstadt und Vöttings Entlastung finden. Seit 2003 ist das Verkehrsaufkommen in Freising um durchschnittlich zehn Prozent gestiegen. In Bereichen wie der Kreuzung Münchner Straße/Saarstraße liegt die Steigerung sogar bei 31 Prozent. Auf der Isarbrücke am südlichen Stadteingang sind die Zahlen von 6.000 Kfz/Tag Ende der 1980er Jahre auf 21.500 Kfz/Tag im Jahr 2012 gestiegen. Und vom Beginn der 80er Jahre bis zur Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses 2008 ist das tägliche Kfz-Aufkommen in der Johannisstraße von 15.900 auf 22.800 Fahrzeuge angewachsen. Trotz Optimierungen durch den ÖNPV und den Ausbau des Radwegenetzes ist das Freisinger Verkehrssystem heute an der Belastungsobergrenze angekommen.

Prognosen verdeutlichen, dass eine Stagnation der Verkehrszunahme im Großraum Freising jedoch erst bis 2020/2025 zu erwarten ist. Bis dahin soll die Westtangente zwischen 17.900 und 19.800 Kfz/Tag aufnehmen und dadurch beispielsweise die berechnete zukünftige Belastung der Johannisstraße um 19 Prozent verringern. Die Prognose für 2020/2025 von 30.400 Fahrzeugen auf der Münchner Straße südlich des Bahnhofs würde sich mit der Westtangente um 29 Prozent auf 21.700 Fahrzeuge pro Tag verringern. Zusatzbelastungen sind durch den Umfahrungs-Charakter auf den leistungsfähigen Verkehrsachsen Weihenstephaner Ring, Nordring und der Isarbrücke/FS44 zu erwarten.
Diese Zahlen machen deutlich, dass die Westtangente zwar keine absolute Entlastungswirkung erreichen kann, wie es beispielsweise bei Ortsumfahrungen kleinerer Gemeinden üblich ist. Sie schafft jedoch wichtige Kapazitäten, um die prognostizierten Verkehrszahlen zu bewältigen und die Verkehrserschließung für den Raum Freising zu verbessern – für eine erfolgreiche, zukunftsorientierte Entwicklung der Stadt als attraktiver Lebens-, Wirtschafts- und Forschungsstandort. Im Fokus stehen Verkehrs-, Lärm- und Abgasentlastung der Freisinger Innenstadt, Reduzierung des LKW-Anteils auf innerstädtischen Straßen, Verringerung des Schleichverkehrs auf untergeordneten Straßen, Vermeidung des Abweichens auf Wohngebiete und die dortige Verbesserung der Lärm- und Abgassituation, Verringerung des Schadstoffausstoßes, geringere Staufrequenz und weniger Ampelstopps.

Die Geschichte der Westtangente

Erste Vorüberlegungen für eine Umgehungsstraße im Westen von Freising gab es bereits 1967. Fünf Jahre später wurde der Bau 1972 im Flächennutzungsplan aufgenommen. Verkehrsgutachten, Raumordnungsverfahren und mehrmalige Überplanungen der verschiedenen Streckenführungen prägten die folgenden zwei Jahrzehnte, bis es 1995 zum ersten Planfeststellungsbeschluss der Westtangente kam. Doch bereits 1999 gab der Bayerische Verwaltungsgerichtshof verschiedenen Klagen der Aktivisten des „Vöttinger Bürgerforums“ recht: Die Einstufung als Gemeindeverbindungsstraße wurde als nicht rechtens beurteilt, die Bedeutung der Westtangente als überörtlich angesehen. Damit musste das gesamte Vorhaben neu aufgerollt werden. Im Juli 2000 beschloss der Kreistag, die Baulast der Westumgehung zu übernehmen, sofern die Stadt Freising die Sonderbaulast – Planung und Finanzierung – trägt. Damit wurde die Westtangente zur Kreisstraße, um im Sinne des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes als Zubringerstraße die in der Region befindlichen Bundes-, Staats- und Kreisstraßen zu vernetzen. Machbarkeitsstudie, Umweltverträglichkeitsstudie und Verkehrsgutachten beeinflussten die Planung und mehrfache Überarbeitung von fünf möglichen Trassen und deren Untervarianten. Nach Streichungen und Optimierungen blieben dem Stadtrat vier Alternativen zur Auswahl. Mit 27:13 Stimmen entschied sich dieser im Januar 2004 für die Variante „WT 1 opt. 2“. Über 700 Einwendungen nach öffentlicher Auslegung der Pläne und verschiedenen Tekturen führten zur Streichung der ursprünglich geplanten Anbindung der Giggenhauserstraße. Aus Lärmschutzgründen wurde die Untertunnelung Vöttings von ursprünglich 380 Meter auf 705 Meter verlängert. Diese gravierenden Überplanungen ließen die Baukosten deutlich steigen. Im Juli 2008 erlässt die Regierung von Oberbayern wiederum den Planfeststellungsbeschluss für die Westtangente. Erneute Klagen werden 2009 abgewiesen. Seit März 2011 ist der Planfeststellungsbeschluss rechtskräftig. Damit konnte die Stadtverwaltung beginnen, den benötigten Grund zu erwerben. Bodenuntersuchungen gaben Aufschluss über die Beschaffenheit des Untergrunds, wodurch sich die Bauplanungen und damit auch die Baukosten detaillierter berechnen ließen. Mit diesen Zahlen war es möglich, Ende 2011 einen offiziellen Zuschussantrag bei der Regierung von Oberbayern zu stellen. In einem aktuellen Schreiben bestätigt diese die geplanten Baukosten von 83 Millionen Euro (Stand Juni 2013). Nachdem die Regierung Anfang 2012 zugesichert hat, 70 Prozent der förderfähigen Kosten zu übernehmen und sich der Landkreis Freising nach Abzug der Förderungen und Zuschüsse mit 50 Prozent am Restbetrag beteiligt, verbleiben nach aktuellem Stand (Juni 2013) 17,3 Millionen Euro bei der Stadt Freising. Davon hat die Stadt bereits sieben Millionen Euro in Planungen, Voruntersuchungen und Grundstückskäufe investiert, sodass für den Bau noch 10,3 Millionen Euro durch Freising zu zahlen wären.

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