Zum ersten Mal seit vielen Jahren musste die Stadt in 2020 einen Nachtragshaushalt aufstellen, weil die wegbrechenden Einnahmen das Erreichen der Planzahlen unmöglich machte. Auch für das nächste Jahr sind die Aussichten nicht rosig. Was steckt konkret dahinter?
Die Stadt finanziert sich hauptsächlich aus Steuereinnahmen. Vor allem die Einnahmen aus der Gewerbesteuer waren in den letzten Jahren erfreulich hoch: im Durchschnitt der letzten zehn Jahre lagen sie bei knapp 40 Mio. Euro, betrachtet man lediglich die letzten fünf Jahre, betrugen sie im Mittel sogar rund 46,9 Mio. Euro. Spitzenreiter war dabei das Jahr 2018 mit 66,76 Mio. Euro, das Schlusslicht war das Jahr 2013 mit 25,5 Mio. Dabei wird die Schwankungsbreite deutlich, der diese Einnahme bereits in der Vergangenheit unterworfen war. In 2020 wird voraussichtlich auch das schlechte Jahr 2013 untertroffen: derzeit rechnet man mit Einnahmen von nur rund 22,85 Mio. Euro.
Stabiler ist der Einkommenssteueranteil, den die Stadt Freising erhält: in den letzten zehn Jahren ist dieser von 21,75 Mio. kontinuierlich auf 36,57 Mio. Euro in 2019 angewachsen. Auch dieser wird in 2020 geringer ausfallen, vorsichtige Schätzungen gehen von rund 34 Mio. Euro aus.
Für den Haushalt 2021 rechnet die Kämmerei mit Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von knapp 33 Mio. und einem Einkommenssteueranteil in Höhe von 35,7 Mio. Euro. Zusammen mit weiteren Einnahmen wie Grundsteuern und Benutzungsgebühren belaufen sich die voraussichtlichen Einnahmen im Verwaltungshaushalt auf knapp 120 Mio. Euro.
Dem gegenüber stehen eine Vielzahl an laufenden Ausgaben: die größten Posten sind dabei das Personal mit 39,6 Mio. und die Kreisumlage mit 36,4 Mio. Euro. Insgesamt summieren sich die Ausgaben auf 129 Mio. Euro. Somit entsteht ein Defizit in Höhe von 9 Mio. Euro.
Im Regelfall sollte im Verwaltungshaushalt (das „laufende Konto“ der Stadt) ein Überschuss bleiben, der in den Vermögenshaushalt (das „Sparbuch“ der Stadt) übertragen werden kann. Aus dem Vermögenshaushalt sind die großen Projekte zu bezahlen. Im Idealfall bleiben auch im Vermögenshaushalt Gelder übrig, die in die Rücklage fließen können, um in „schlechten Zeiten“ ein Polster zu haben. Nun sind diese „schlechten Zeiten“ eingetreten und die Stadt braucht in 2021 die letzten noch verbliebenen Rücklagen auf, um zunächst den Vermögenshaushalt auszugleichen und aus dem Vermögenshaushalt das Defizit im Verwaltungshaushalt in Höhe von 9 Mio. Euro abzuwenden.
Für die Zukunft schaut es nach aktueller Lage nicht besser aus: in den nächsten Jahren entsteht regelmäßig eine negative Finanzspanne, es reichen also die Einnahmen nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken. Ein Verkauf von Anlagevermögen ist nicht geplant, so dass die Deckung der Ausgaben über die Aufnahme von Krediten erfolgen muss.
Nachdem in den letzten 10 Jahren der Schuldenstand von 118 Mio. Euro in 2010 (bzw. 2.574,- Euro je Einwohner) auf 76,9 Mio. Euro in 2019 (bzw. 1.509,- Euro je Einwohner) gesunken ist, wird die Stadt nach derzeitiger Planung ab 2021 jedes Jahr neue Kredite aufnehmen müssen. Die Verschuldung wird um rund 232 Mio. Euro ansteigen.
Dass eine solche Haushaltsführung auf Dauer nicht klug ist, liegt auf der Hand. Wie also kann dieser Entwicklung entgegen gewirkt werden?
Wie im Privaten auch, bleibt am Ende mehr Geld übrig, wenn die Einnahmen erhöht und die Ausgaben gesenkt werden. Die beeinflussbare Größe ist die Gewerbesteuereinnahme. Die Stadt sollte daher anstreben, dass diese künftig wieder höher ausfällt. Es sollte unser Ziel sein, einheimische Firmen zu halten und zum Beispiel Handwerkern, die sich vergrößern möchten, die Möglichkeit dazu zu geben. Auch die Ansiedlung neuer, passender Firmen, sollte ermöglicht werden, nicht nur wegen der Gewerbesteuereinnahmen, sondern auch um die Region durch Arbeitsplätze zu stärken. Weil die Flächen im Gebiet Clemensänger jedoch nahezu vollständig vergeben sind, wird die maßvolle Ausweisung neuer Gewerbegebiete unumgänglich sein.
Eine Mammutaufgabe ist natürlich, die Ausgaben zu senken. Einerseits laufen viele Projekte bereits und es ist wenig sinnvoll, diese zu stoppen. Dazu gehören der Neubau der Steinparkschulen, der Umbau der Innenstadt, die Sanierung des Asamgebäudes oder der Bau städtischer Wohnungen in Lerchenfeld. Andererseits können viele Zahlungen nicht eingestellt werden, zum Beispiel die Löhne und Gehälter, Versicherungsbeiträge oder die Kreisumlage an den Landkreis.
Auch die Erfüllung der Pflichtaufgaben darf die Stadt nicht vernachlässigen. Zu den Pflichtaufgaben gehören zum Beispiel der Bau und die Ausstattung von Kindertagesstätten sowie Grund- und Mittelschulen, die kommunale Feuerwehr oder die Instandhaltung der Gemeindestraßen.
Darüber hinaus leistet Freising sehr viel für die Bürgerinnen und Bürger, das über die Erfüllung reiner Pflichtaufgaben hinausgeht. Beispiele dafür sind die moderne Bibliothek, das Eisstadion, das neue Schwimmbad mit Sauna, Hortplätze, ein umfangreiches Ferien- und Kulturprogramm, eine Musikschule mit Konzertsaal, eine VHS, städtische Wohnungen und und und.
Die Wichtigkeit dieser Angebote für eine lebenswerte Stadtgemeinschaft steht außer Frage. Es ist großartig, dass wir in Zeiten, in denen anderswo solche Einrichtungen geschlossen werden müssen, den Freisingerinnen und Freisingern so etwas Tolles bieten können! Jedoch: alle diese Angebote verursachen hohe Kosten, nicht nur für den Bau, sondern auch für die Instandhaltung und vor allem die laufenden Betriebskosten.
Dem gegenüber stehen Einnahmen, die bisher bewusst niedrig gehalten wurden, obwohl die Stadt gesetzlich dazu verpflichtet ist, in der Reihenfolge der Finanzierung ihrer Einrichtungen zuerst die Nutzenden heranzuziehen. Die Gebühren werden also teilweise stark von der Stadt bezuschusst. Auch die Mieten und Pachten für eine Vielzahl von Einrichtungen, Vereinen und Veranstaltungen werden überwiegend niedrig gehalten oder es wird ganz darauf verzichtet.
In den Kindertagesstätten hat Freising einen höheren Betreuungsschlüssel vorgegeben, als gesetzlich vorgesehen: in den Kinderkrippen ist der Personalschlüssel 1:3 (eine pädagogische Kraft für drei Kinder), in den Kindergärten und -horten 1:8. Ein finanzieller Mehraufwand, der direkt den Kindern zugutekommt.
Bei den Schulen, die die Stadt baut und saniert, wird ebenfalls sehr viel mehr geleistet als gesetzlich gefordert. Gemäß dem Freisinger Schul- und Inklusionskonzept wird das Cluster-Konzept umgesetzt, das zu einem höherem Raumbedarf führt. Für die Steinparkschulen wurde ein Architektenwettbewerb durchgeführt, um das beste Ergebnis zu erzielen.
Auch im Radwegebau geht die Stadt häufig in Vorleistung, indem sie den Radweg plant und die Grundstücke kauft, obwohl es sich um Kreis-, Staats- oder Bundesstraßen handelt, neben denen er entstehen soll.
Nicht zuletzt: einige Stellen im Stellenplan gehören ebenfalls nicht zu den Pflichtaufgaben der Stadt. Dazu zählen neben sozialen Stellen auch alle beratenden Einrichtungen. Sicher, vieles wird gefördert, aber der Rest dieser Ausgaben sind ebenfalls freiwillige Leistungen der Stadt.
Mit dieser nicht vollständigen Liste wird deutlich: Freising bietet seinen Bürgerinnen und Bürgern sehr vieles.
Gerade weil das viele wichtige und sinnvolle Mehrausgaben sind, die die Stadt hier leistet, fällt es auch sehr schwer, zu entscheiden wo und wie am besten eingespart werden kann. Am schönsten wäre natürlich, wenn weiterhin vieles kostenlos oder sehr günstig bleiben könnte. Das wird jedoch angesichts der aktuellen Situation nicht im bisherigen Umfang möglich sein. Wichtig ist jedoch selbstverständlich, dass eine ausgewogene Lösung gefunden wird.
Der Stadtrat hat die wichtige Aufgabe, Entscheidungen zum Wohl aller zu treffen. Gerade jetzt sind wir in der historischen Situation, dass wir trotz der belastenden Umstände, die mit der Pandemie einhergehen, aufgerufen sind, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Um die Handlungsfähigkeit der Stadt für die kommenden Jahre nicht zu stark einzuschränken, muss das Ziel sein, die Finanzierung in den kommenden Jahren wieder auf solide Beine zu stellen.
Deswegen müssen wir uns der Mammutaufgabe stellen, die Einnahmensituation möglichst zu optimieren und bei den Ausgaben Anpassungen vorzunehmen. Gemeinsam und konstruktiv wird es gelingen, die Zukunftsfähigkeit der Stadt zu sichern.