Freising auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Stadt

Die Aufgaben einer kommunaler Verkehrsplanung sind vielfältig: Von der Verbesserung der Verkehrswege und des ÖPNV, über die Stärkung der Verkehrssicherheit und die Steigerung des Fuß- und Radverkehrsanteils, bis hin zur Reduzierung von Lärm und Luftschadstoffen. Auf dem Weg zur Umsetzung der „Stadt und Region der kurzen Wege“ gilt es, all dies vernetzt zu realisieren.

Von Katrin Stockheim,

Mit einer nachhaltigen Mobilitätsstrategie soll das große Potenzial für eine umweltverträgliche und nachhaltige Mobilität in Freising ausgeschöpft und der demokratische Grundsatz der Gleichberechtigung aller Teilnehmenden am Verkehrsverbund im tatsächlichen Verkehrsraum hergestellt werden.

Bis in die 1950er Jahre galten Städte als fahrrad- und fußgängerfreundlich. Mit der Popularisierung des Autos wandelte sich die Verkehrsplanung. Oberste Priorität war, möglichst viele Kfz-Fahrzeuge von A nach B zu transportieren. Der Straßenraum gehörte dem Pkw; Fahrrädern und Fußgängern wurde das Recht auf freie Nutzung entzogen - sie wurden an den Rand gedrängt.

Shared spaces

Seit den 1980er Jahren entstanden europaweit erste Bestrebungen, dem enormen Druck durch den motorisierten Verkehr in den Großstädten mit fahrradfreundlichen Verkehrsstrategien entgegenzuwirken. Heute zählen die Maßnahmen in diesen Städten zu den Vorzeigeprojekten, die nach über 30 Jahren Planung, Vernetzung, Umsetzung und gesellschaftlicher Implementierung über die Landesgrenzen hinaus für eine moderne, nachhaltige und integrierte Verkehrsplanung werben. Zu den bekanntesten Städten zählen Amsterdam, Kopenhagen und Münster. Aber auch Kommunen wie Erlangen und Karlsruhe bieten den Einwohnern mittlerweile eine beispielhafte fahrrad- und fußgängerfreundliche Infrastruktur. Im Mittelpunkt der Planungen steht stets die Frage: „Wie viele Menschen können sich bei optimierter Planung auf der Straße fortbewegen?“. Neben Exkursionen in die bekannten Fahrradstädte und dort abgehaltenen Workshops haben auch Bund und Land informative Maßnahmen und Anpassungsstrategien an den strukturellen Wandel entwickelt, ohne die Mobilität der Bevölkerung einzuschränken. Die integrierte Verkehrsentwicklungsplanung ist eng mit der Siedlungsplanung sowie der Luftreinhaltungs- und Lärmaktionsplanung verknüpft. Eine Rechtsvorschrift für die kommunale Verkehrsentwicklungsplanung existiert jedoch bisher nicht und die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage ist umstritten.

Viele Kommunen erkennen heute hingegen die enormen Vorteile einer integrierten Verkehrsplanung. Der Orientierung dienen dabei die Leitlinien für eine nachhaltige urbane Mobilitätsplanung der Europäischen Kommission (SUMP - Sustainable Urban Mobility Plan). Diese geht auf neue Herangehensweisen an die urbane Mobilitätsplanung ein, da lokale Behörden vermehrt versuchen, aus dem überholten Struktur-Denken auszubrechen und Strategien zu entwickeln, die eine Umstellung auf umweltfreundlichere und nachhaltigere Verkehrsträger ermöglichen.

Innovationen für ein neues Design im Straßenraum

Um die gewünschte Verkehrswende nachhaltig umsetzen zu können, dem mobilen Wandel in der Gesellschaft gerecht zu werden und um durch die Arbeitsgemeinschaft „Fahrradfreundliche Kommune in Bayern“ als fahrradfreundlich zertifiziert zu werden, finden im Stadtgebiet von Freising bereits zahlreiche Um- und Ausbauprojekte rund um die Optimierung des Fahrrad- und Fußverkehrs sowie des ÖPNVs statt. Am Südring wird es zukünftig zwischen Gute Änger und der Erdinger Straße einen beidseitigen Fuß- und Radweg geben. Eine sicherere Querung mittels Furten als Fahrbahnmarkierung an den Kreiseln soll zusätzlich geprüft werden. Im Rahmen der Offensive „Bike & Ride“ hat die Stadt Freising die Zusage für eine Förderung des Ausbaus der Radabstellanlagen am städtischen Busbahnhof erhalten, wodurch hier die bestehenden Abstellmöglichkeiten mit 750 Doppelstockparkern verdoppelt werden sollen. Langfristig ist geplant, am Bahnhof ein Fahrradparkhaus zu etablieren. Im Rahmen notwendiger Sanierungsmaßnahmen an Isarbrücke und Hochtrasse wird ab Herbst 2019 der gesamte Verlauf zwischen der Ismaninger Straße und Korbinianbrücke mit einem großzügigen Rad- und Fußweg ausgebaut. Einerseits werden die Brückenkappen nach außen verlängert, aber auch der Bordstein wird zur Straße hin nach innen verlagert, wodurch der Radverkehr zukünftig unabhängig vom motorisierten Individualverkehr abgewickelt werden kann. Die Ampelschaltung wird zugunsten der Radfahrer optimiert und gewährt diesen zukünftig einen zeitlichen Vorsprung. Alle Kreuzungen erhalten geradlinige und großzügige Radwege, die im besten Fall farblich eindeutig markiert sind und somit sowohl für den Radfahrenden wie auch den Autofahrenden eine besser überschaubarere und effizientere Straßensituation entsteht. Sogar eine absolute Neuerung ist geplant: An einer Kreuzung bekommen nach links abfahrende Radfahrer einen eigenen rot markierten Wartebereich – und zwar nicht vor der Kreuzung, sondern am Ende der Kreuzung im Straßenbereich. In Kopenhagen konnte sich FSM-Stadträtin Katrin Stockheim bereits einen positiven Eindruck dieser modernen und effizienteren Verkehrslenkung vor Ort machen.

„Den Straßenraum neu entdecken: fahren, sitzen, reden, leben, spielen“

Mit dem Beschluss des „Mobilitätskonzept Freising – nachhaltig mobil“ hat der Stadtrat 30 konkrete Einzelmaßnahmen auf den Weg gebracht, die sich im Großen wie im Kleinen auf die Nutzbarkeit des Straßenraums durch Fußgänger und Radfahrer positiv auswirken und die gewünschte Verkehrswende herbeiführen soll. Darunter verschiedenste Maßnahmen, Pilot- und Leuchtturmprojekte, die gegen gewohnte Vorzugsrechte des Autos bestehen und mit Mehrwerten punkten müssen. Ein Jahr nach Freigabe des Konzeptes durch den Stadtrat befinden sich bereits 16 Maßnahmen in der konkreten Planung und Umsetzung:

Maßnahme 3: Umbau der Querung Bahnposten 15

Während die Planungen für den barrierefreien Ausbau der Unterführung zwischen Lerchenfeld und der Innenstadt auf der südlichen Seite auf Zustimmung stoßen, sind die Möglichkeiten eines verkehrssicheren Ausbaus auf der nördlichen Seite begrenzt. Insbesondere die Rampenneigung für eine Befahrung mit dem Fahrrad, Rollatoren oder einem Rollstuhl können nicht DIN-Norm gerecht hergestellt werden. Dies ist aber Grundlage für die benötigte finanzielle Förderung des Ausbaus. Eine temporäre und fußgängerfreundliche Rampe soll nun provisorisch für Abhilfe sorgen. Da diese jedoch ebenfalls nicht DIN-Norm-gerecht ist, müssen vorab per Gutachten die Funktionsfähigkeit, Verkehrssicherheit, Verbesserung der Gesamtsituation sowie die Alternativlosigkeit nachgewiesen werden, um so doch förderfähig zu werden. Ein Modell der geplanten Rampe kann auf dem Bauhof öffentlich begutachtet und getestet werden.

Maßnahme 4: Bau Isarsteg Süd

Dem Ausschuss für Bauen, Planen und Umwelt wurden 2018 drei Stegvarianten vorgestellt und zur Abstimmung vorgelegt. Alle drei Varianten werden derzeit durch das Stadtplanungsamt auf naturschutzrechtliche und fachliche Aspekte geprüft.

Maßnahme 6: Umsetzung der Pilotroute Lerchenfeld – Weihenstephan

Im Zuge der Umsetzung dieser Maßnahme hatte die Freisinger Mitte eine Prüfung der Vorfahrtsänderung zugunsten des Radverkehrs an der Kreuzung Korbinianbrücke – Luitpoldstraße beantragt. Bei der Verkehrsschau 2019 wurde der Bereich durch Vertreter von Stadtplanung, Ordnungsamt, Politik und der Polizei begutachtet. Bestehende Bedenken der Polizei bezüglich einer mangelhaften Verkehrssicherheit nach einer Vorfahrtsänderung sollen nun mit einer konkreten Ausbauplanung (3 Varianten) ausgeräumt werden. Mögliche Ausbauvarianten sollen bereits im Herbst dem Ausschuss vorgestellt werden.

Maßnahme 7: Umbau Korbiniankreuzung und angrenzende Straßenzüge

Voruntersuchungen und weitere Planungen können erst durchgeführt werden, wenn die Straßenbaulast in die Trägerschaft der Stadt Freising übergehen. Aktuell als Bundesstraße eingestuft, wird der Kreuzungsbereich mit der Öffnung von Nord-Ost-Umfahrung und Westtangente zur Staatsstraße abgestuft und damit vom Bund in die Baulast der Stadt Freising übergeben. Im Anschluss sind eine Machbarkeitsstudie für den Umbau des Kreuzungsbereichs sowie der angrenzenden Kammergasse geplant.

Maßnahme 9: Fahrradfreundliche Umgestaltung der Kammergasse

Möglichkeiten eines Umbaus zugunsten des Radverkehrs werden derzeit erarbeitet. Inhaltlich zählen die Verkehrssicherheit, eine gegenläufige Befahrung mit dem Rad und Querungsmöglichkeiten, die Einrichtung einer Fahrradstraße, ein Tempolimit von 30 km/h, die Nutzung durch den ÖPNV, den Durchgangsverkehr und die Anlieger, eine Barrierefreiheit sowie eine attraktive Umgestaltung zu den Untersuchungsfaktoren. Wichtige Nutzungsmöglichkeiten und vorrangige Wegverbindungen wurden im Juli mit den Teilnehmenden des „Runden Radltischs“ erörtert.

Maßnahme 10: Bau Radweg an der Staatsstraße 2339 (Vötting – Giggenhausen)

Die Planungen am Knotenpunkt wurden überarbeitet und ein Sicherheitsaudit durchgeführt. Im Herbst wird dem Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt eine vollständige Planung vorgestellt.

Maßnahme 12: Fahrradfreundliche Einbahnstraßenregelung

Im Rahmen der Verkehrsschau 2019 wurden alle Einbahnstraßen und Sackgassen befahren. Alle als zulässig erachteten Straßen wurden mittlerweile für den gegenläufigen Fahrradverkehr freigegeben und entsprechend beschildert.

Maßnahme 13: Radschnellweg Freising – Garching

Im Rahmen der Trassenfindung konnten drei Varianten für eine konkretere Untersuchung festgelegt werden.

Maßnahme 18: Förderung der Anschaffung von E-Bikes/Pedelecs/Lastenräder

Auf Antrag der Agenda 21-Gruppen „Bauen, Wohnen, Verkehr“ und „Energie und Klimaschutz“ hat der Ausschuss für Finanzen und Verwaltung im Juli seine Zustimmung zum Förderprogramm für Lastenräder erteilt. Ziel ist die Reduzierung von Fahrten des motorisierten Individualverkehrs durch die Erhöhung des Radverkehrsanteils im gewerblichen und privaten Bereich insbesondere bei Lasten- und Personentransporten. Förderfähig ist der Erwerb von elektrischen und muskelbetriebenen Lastenrädern sowie von Fahrradanhängern zum Lasten- und Personentransport. Eine Zusatzprämie ist bei der parallelen Stilllegung eines benzin- oder dieselbetriebenen Pkws möglich. Fördervoraussetzung ist der Bezug von Ökostrom bei E-Fahrzeugen und der Kauf bei einem örtlichen Fahrradhändler. Weitere Informationen wie beispielsweise Förderhöhe und Rahmenbedingungen können bei der Stadtverwaltung erfragt werden.

Maßnahme 20: Konzept zur Busanbindung der Innenstadt

In den kommenden Wochen wird es erste Gespräche mit den Stadtwerken über konkrete Möglichkeiten geben, die im Anschluss an den Umbau der Innenstadt umgesetzt werden sollen. Auf Antrag der Freisinger Mitte vom Juli 2019 soll es zusätzlich zur Etablierung eines Runden Tisches zur Erarbeitung eines zukunftsfähigen ÖPNV-Konzeptes für das gesamte Stadtgebiet kommen. Einen übersichtlichen und verständlichen Buslinienplan hat die Freisinger Mitte im Mai 2019 veröffentlicht. Dieser ist auf Anfrage kostenfrei bei der FSM erhältlich.

Maßnahme 21: Schnellbuslinie Freising – Garching

Diese Maßnahme ist Teil der Nahverkehrsplanung des Landkreises Freising, die sich aktuell in der Ausarbeitung befindet.
Maßnahme 24: Bustunnel Bahnhof zur Anbindung von Lerchenfeld
Standortwahl, Ausbauumfang und Konzeption müssen u.a. zwischen Stadtwerken, Stadtplanung und der Deutschen Bahn abgesprochen werden. Erste Ideen zu Planungen möglicher Varianten, Nutzungsmöglichkeiten und Rahmenbedingungen folgen.

Maßnahme 25: Qualifizierung des Car-Sharing Angebots

Zur Qualifizierung des bestehenden Angebots steht die Stadtplanung mit dem Verein StadtTeilAuto in Kontakt. Zusätzliche Standorte an der Katharina-Mair-Straße oder im Altstadt-Parkhaus wurden vereinbart.

Maßnahme 28: Betriebliches Mobilitätsmanagement

Im Rahmen eines betrieblichen Mobilitätsmanagements hat die Stadt Freising mit dem Austausch ihrer Fahrzeuge und deren Ersatz durch E-Fahrzeuge begonnen und die dafür benötigten E-Ladestationen im Altstadt-Parkhaus installiert.

Maßnahme 29: Öffentlichkeitsarbeit zur Förderung des Umweltverbunds

Mit Informationsprojekten wie dem „Freisinger Radlsommer“ und der Aktion „Mit dem Rad in die Stadt“, einem Infostand am Uferlos Festival, Gesprächen am Weihenstephaner Forum oder dem „Freisinger Schulradeln“ hat sich bereits eine laufende Öffentlichkeitsarbeit etabliert, durch die unterschiedlichste Zielgruppen über Mehrwerte einer nachhaltigen Mobilität informiert werden.

Maßnahme 30: Schaffung einer Stelle für einen Mobilitätsbeauftragten

Nach Zusage der Fördergelder konnte die Stelle im Frühsommer ausgeschrieben werden. Nach Abschluss der aktuell stattfindenden Bewerbungsgespräche ist der Arbeitsbeginn des Mobilitätsbeauftragten für Herbst vorgesehen.

Weiterführende Links:

Informationen des Umweltbundesamts: Kommunale Verkehrsplanung, Integrierte Verkehrsentwicklung, effiziente Maßnahmen und kurze Wege

Informationen des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr: Megastudie über Mobilität in Bayern: Wie bewegen sich die Menschen in Bayern

Radlland Bayern: Radverkehrsprogramm Bayern 2025 (Broschüre als PDF-Download)

Pläne zur Reform der Straßenverkehrsordnung durch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer

So geht Verkehrswende. Ein Booklet des ADFC zum Download

Titelfoto: Photo by Susan Yin on Unsplash

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