Die ganze Welt ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Neben der Belastung des Gesundheitssystems stellt vor allem die Beeinträchtigung für die Wirtschaft Länder und Kommunen vor neue Herausforderungen. Für Freising im Speziellen lassen sich auf Basis der Einschätzungen renommierter Wirtschaftsforschungsunternehmen besondere Effekte feststellen. Zu diesem Thema fand sich am 30. November 2020 der Wirtschaftsausschuss der Freisinger Mitte zu seiner virtuellen konstituierenden Sitzung zusammen. Unter Teilnahme von Monika Schwind, Finanzreferentin der Stadt Freising, sowie Maria Lintl, Fraktionsvorsitzende der Freisinger Mitte im Kreistag, und unter der Leitung von Christian Klein, dem neuen FSM-Ressortleiter im Bereich Wirtschaft, gab es einen regen Austausch zu den Grundsatz- und Fokusthemen für die kommende Zeit.
Region Freising besonders hart von Corona durch Abhängigkeit von der Luftfahrt betroffen
Das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos hat im Rahmen seiner „Regionalen Branchenprognose 2030 – Deutschland nach Corona“ vom 20. Nomember 2020 die zukünftigen Branchenentwicklungen und Handlungsfelder in den 401 deutschen Kreisen und kreisfreien Städten, u.a. auch für Freising, untersucht. Teile der Studie können im Handelsblatt exklusiv nachgelesen werden.
Vorab: die langfristige wirtschaftliche Prognose für den Freisinger Raum fällt positiv aus. Die Bruttowertschöpfung wird bis 2030 wieder zweistellige Wachstumsraten in unserem Landkreis erreichen.
Der Landkreis Freising leidet jedoch wie keine andere Region in Deutschland unter dem eingebrochenen Flugverkehr. Nur sechs weitere Kreise werden in der Studie erwähnt, die ähnlich stark von dem „exogenen Schock“ COVID-19 wirtschaftlich so stark betroffen sind. In Bayern betrifft dies aufgrund der Dominanz der Automobilindustrie und entsprechender Spezialisierung aller Sektoren der Wirtschaft noch Dingolfing und Ingolstadt. Mehr als die Hälfte des Gesamtgeländes des zweitgrößten Deutschen Flughafens liegen auf Freisinger Grund. Der Münchener Flughafen ist der wohl größte Arbeitgeber der Region, auch in Anbetracht der sekundären und tertiären Sektoren, die in direkter Abhängigkeit zum Luftverkehr stehen. Ein Fünftel der 38.000 Beschäftigten am Flughafen kommt aus dem Landkreis Freising. Mit dem Corona-bedingten Einbruch der Passagierzahlen – in den ersten neun Monaten zählte der Airport 75 Prozent weniger Fluggäste als im Vorjahreszeitraum – bleiben die notwendigen Gewerbesteuern entsprechend aus. Derzeit fallen die Passagierzahlen seit August wieder kontinuierlich (im Oktober 581 TSD), sodass seit 1. Dezember alle Abflüge und Ankünfte nur noch im Terminal 2 erfolgen. Die Lufthansa hat Ende September, als größtes ansässiges Unternehmen am Airport, das dritte (!) Restrukturierungspacket beschlossen, welches eine massive Reduktion beim Personal und der Flotte zur Folge haben wird. Zuletzt wurde das erste Mal in der Geschichte des Unternehmens die Entlassung von 1.000 Piloten ins Gespräch gebracht.
Gemessen am prognostizierten Einbruch der Wirtschaftsleistung 2020 gegenüber dem Vorjahr trifft die Coronakrise kurzfristig kaum eine Region in Deutschland härter als Freising.
Die Experten des Forschungsinstituts Prognos fassen in Ihrer Studie zusammen: „Gemessen am prognostizierten Einbruch der Wirtschaftsleistung 2020 gegenüber dem Vorjahr trifft die Coronakrise kurzfristig kaum eine Region in Deutschland härter als Freising“. Schlechter schneiden in der Analyse nur Wolfsburg, Dingolfing-Landau und Ingolstadt ab.
Jedoch ist, wie Eingangs erwähnt, die Langfristprognose für Freising laut Studie gut, auch wenn im Landkreis wohl mindestens für drei Jahre das Wirtschaftswachstum einbrechen wird und das Vorkrisenniveau erst wieder Anfang 2023 erreicht werden dürfte.
Die Wirtschaft fährt auf Sicht und rechnet mit einer langsamen und langfristigen Erholung
Der monatliche ifo-Geschäftsklimaindex ist im November auf 90,7 Punkte gesunken, nach 92,5 Punkten im Oktober. Der Rückgang war vor allem auf deutlich pessimistischere Erwartungen der Unternehmen zurückzuführen. Die allgemeine Geschäftsunsicherheit hat sich nach dem Lockdown ab dem 2. November und den verschärften Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz vom 13. Dezember 2020 verschlechtert. Die zweite Corona-Welle hat die Erholung der deutschen Wirtschaft unterbrochen und kostet nach Einschätzung des Institutes der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr Minimum dreiviertel Prozentpunkte, was ca. 20 Milliarden der gesamtwirtschaftlichen Leistung entspricht.
Neben der Luftfahrt sind von den Folgen der Pandemie in Freising nicht nur der Einzelhandel, sondern vor allem mehrere mittelständische Firmen, wie die Brauerei Weihenstephan betroffen.
Der regionale Arbeitsmarkt ist bisher relativ stabil
Die Arbeitslosenquote im November 2020 sank auf 2,8 Prozent nach 1,9 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Im Landkreis befanden sich im Juni 2020 16.559 Beschäftigte in 864 Unternehmen in Kurzarbeit, ca. 7,5 Prozent weniger als im Vormonat. Mit Fortschreiten des Lockdowns muss sowohl mit einem Anstieg der Arbeitslosen und auch der Kurzarbeit gerechnet werden. Vor diesem Hintergrund dürften sich auch über einen längeren Zeitraum die negativen Auswirkungen auf die Lohn- und Einkommensteuer bemerkbar machen. Der nachhaltige Personalabbau im Luftverkehr wird insbesondere für die Anzahl der Sozialversicherungspflichtigten Beschäftigten von Relevanz sein. Im Arbeitsamtsbezirk waren Ende März 2020 218.456 und damit rund 1.5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum registriert. Diese Zahl, aber auch die Häufigkeit der Kurzarbeit, die immer erst ca. 5–9 Monate verspätet vorliegen, sind wesentliche Indikatoren für eine Beurteilung der wirtschaftlichen Situation in der Region.
Schwerpunkte der Arbeit des Wirtschaftsausschusses
Der Wirtschaftsausschuss der FSM hat sich aus diesem Grunde das Ziel gesetzt, Zielbranchen außerhalb der Luftfahrt zu identifizieren, um die Abhängigkeit von diesem Sektor zu reduzieren und die Basis für die Gewerbesteuereinnahmen zu verbreitern. Leider sind die Flächen zur gewerblichen Nutzung auf dem Stadtgebiet extrem begrenzt. Vor diesem Hintergrund sind die Diskussionen über den neuen Flächennutzungsplan der Stadt Freising und mögliche Neuausweisungen von Gewerbegebieten, aber auch der Ausbau des Wirtschaftsmarketings zur Ansiedlung pandemieresistenter Branchen in Freising, sei es im innerstädtischen Bereich, im Umfeld der Lehre und Forschung am Campus Weihenstephan („One Health“) oder auch im LabCampus am Flughafen, von hoher Bedeutung.
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